Kategorien: Halbleiter
Veröffentlicht 30 Juli 2024

Die Halbleiterindustrie steht an der Spitze der technologischen Innovation und liefert die Grundlage für Geräte, die aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind. In einem spannenden Gespräch mit Felix Reichenbach, Leiter Solution Center Semiconductor bei TRUMPF, gewinnen wir tiefgreifende Einblicke in die komplexen Herausforderungen, denen sich die Halbleiterindustrie im heutigen dynamischen Markt gegenübersieht. TRUMPF, ein wichtiger Akteur der Branche, ist auf die Herstellung von Prozessenergiegeräten spezialisiert, insbesondere auf die Stromversorgungen, die für den Betrieb von Plasmakammern in Halbleiteranwendungen unerlässlich sind.

Reichenbach bietet eine nuancierte Perspektive auf die vielfältigen Herausforderungen, mit denen Halbleiterhersteller konfrontiert sind, und auf die globalen Auswirkungen dieser Herausforderungen.

Herausforderungen für die Halbleiterindustrie

1. Politische Situation:

CaptionFelix Reichenbach, Head of Solution Center Semiconductor, TRUMPF.Reichenbach betont die erheblichen Auswirkungen der politischen Lage, insbesondere die Unsicherheiten aufgrund der geopolitischen Spannungen zwischen den USA und China.

„Aus unserer Sicht ist die politische Situation, insbesondere zwischen den USA und China, eine große Herausforderung und Unsicherheit. Sollte sich der Konflikt verschärfen, wird dies Auswirkungen auf den westlichen Markt haben. Dies wird zu unkontrollierten Unterbrechungen für Gerätehersteller, Zulieferer und Endbenutzer führen.“

2. Erweiterungskapazitäten:

„Wenn es zu einem Konflikt zwischen China und Taiwan kommt, wird die Halbleiterwelt zum Stillstand kommen. TSMC in Taiwan produziert derzeit zwei Drittel der hochmodernen Sub-10-Nanometer-Chips. Wenn das wegfällt, fehlen uns mehr als 60 % aller Chips für Mobiltelefone oder Hochleistungschips.

3. Unterbrechungen in der Lieferkette:

Reichenbach denkt über die Herausforderungen während der Pandemie nach und erörtert die möglichen Störungen der Lieferkette aufgrund von Handelsunterbrechungen.

„In den letzten drei Jahren war die Warenknappheit nicht auf politische Gründe zurückzuführen, sondern auf die globale Pandemie. Daraus ergaben sich Kostenengpässe oder gar die Angst vor einer Knappheit, die viele Kunden dazu veranlasste, Bestellungen aufzugeben. Sollten Handelssanktionen gegen China verhängt werden, könnte dies in Zukunft zu einer ähnlichen Situation führen.“

4. Materialmangel:

Auch wenn sich die Materialknappheit derzeit entspannt, könnte es nach Ansicht von Reichenbach wieder zu Engpässen kommen, wenn der Markt einen Aufschwung erlebt.

„Es gibt weniger Materialengpässe, da sich die Situation deutlich verbessert hat. Allerdings hat sich sowohl die Nachfrage nach Halbleiterchips als auch die Nachfrage nach Anlagen zur Herstellung von Wafern verlangsamt. Wenn sich der Markt wieder erholt, könnten wir mit Zuteilungsproblemen konfrontiert werden und wieder größere Materialengpässe erleben.”

5. Sich ständig weiterentwickelnde Technologie:

Reichenbach befasst sich mit der Diskrepanz zwischen Spitzentechnologie und ausgereiften Technologieknoten und den Herausforderungen, mit dem technologischen Fortschritt Schritt zu halten.

„Die Spitzentechnologie stellt die Spitze des Eisbergs dar und nur sehr wenige Unternehmen sind darauf vorbereitet.“ TSMC, Samsung und Intel sind auf diesem Gebiet nach wie vor die Technologieführer. Die meisten Unternehmen verwenden jedoch immer noch ausgereifte Technologieknoten mit einer Größe von >20 Nanometern. Diese beiden Welten sind völlig unterschiedlich.

„Die Anforderungen und Spezifikationen für verschiedene Anwendungen werden immer strenger. Viele Anwendungen, beispielsweise in der Automobil- und Telekommunikationsbranche, sind jedoch auf ausgereifte Knoten angewiesen. Die neueste Technologie ist vor allem für High-Performance-Computing-Anwendungen wie KI notwendig.“

6. Nachhaltigkeit:

Reichenbach hebt die Rolle der Branche im Bereich Nachhaltigkeit hervor und erörtert den Trend zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks.

„Die Halbleiterindustrie spielt eine entscheidende Rolle in der Nachhaltigkeitsbewegung. Die einzig gangbare Lösung zur Reduzierung unseres CO2-Fußabdrucks besteht darin, fossile Brennstoffe zu eliminieren und Prozesse nach Möglichkeit zu elektrifizieren. Allerdings erfordert dieser Wandel hin zur Elektrifizierung eine erhebliche Anzahl an Halbleitern.“

„Bestimmte gasbetriebene Verfahren gibt es immer noch, insbesondere in der Abgasnachbehandlung. Einige Unternehmen ersetzen bereits Gasbrenner, wo dies möglich ist, obwohl dies enorme Investitionen erfordert und letztlich eine geschäftliche Entscheidung ist.“

7. Facharbeiter:

Die anhaltende Herausforderung, qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen, wird untersucht, wobei Reichenbach auf regionale Unterschiede hinweist.

„Im Vergleich zu anderen Regionen, insbesondere in Asien, wird es aufgrund der demografischen Situation eine größere Herausforderung sein, in Europa eine Halbleiterfabrik aufzubauen. Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften stellt ein großes Problem dar, allerdings hängt dies auch von der jeweiligen Region ab. In Ländern wie Indien und China ist das weniger problematisch.“

8. Globaler Wettbewerb:

Der Halbleitermarkt ist hart umkämpft. Reichenbach bietet Einblicke in diesen Markt.

„Auf globaler Ebene herrscht seit jeher ein intensiver Wettbewerb und der Markt ist dadurch stark konsolidiert. Für neue Player wird es eine Herausforderung sein, in den Markt einzutreten und mit den fünf großen Playern zu konkurrieren.“

„In den letzten Jahren haben wir eine zunehmende Differenzierung zwischen Produktion und Design von Komponenten beobachtet, da sich Unternehmen auf beide Kompetenzbereiche spezialisiert haben. Design und Fertigung sind zwei getrennte Kompetenzen, und dieser Trend wird sich in Zukunft wahrscheinlich noch verstärken.“

9. Forschung und Entwicklung (F&E):

Reichenbach beleuchtet die Herausforderungen bei der Annäherung an strukturelle Grenzen bei Nanometerstrukturen und Chipstapelung.

Die Industrie steht vor einer großen Herausforderung, denn die Strukturen nähern sich ihrer Größenbegrenzung.

„Die Industrie steht vor einer großen Herausforderung, denn die Strukturen nähern sich ihrer Größenbegrenzung. Es wird immer schwieriger, Strukturen im Ein-Nanometer-Bereich zu überwinden. Das Schrumpfen von Strukturen, die kleiner als zwei oder drei Nanometer sind, ist eine Herausforderung. Um das zu erreichen, sind neue Methoden und Designs erforderlich. Da wir uns in der Strukturgröße dem Niveau einzelner Atome nähern, das derzeit die Grenze darstellt, muss die Dichte der Speicherinformationen auf einem Chip auf unterschiedliche Weise erhöht werden.“

„Derzeit geht der Trend dahin, verschiedene Chips übereinander zu stapeln und so die Dichte auf gleicher Grundfläche zu erhöhen. Das ist vergleichbar mit der vor 10 Jahren eingeführten Umstellung von 2D- auf 3D-Speicherstrukturen. Auf der Logikseite werden bei Hochleistungs-Computerchips mehrere Chipsätze auf einem Chip gestapelt. Das ist der Weg für die nächsten Jahre.“

„In Zukunft könnten anstelle von Silizium auch Materialien auf Diamantbasis zum Einsatz kommen. Allerdings ist dies derzeit zu teuer und wirtschaftlich nicht machbar und die Umstellung wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern.

Vorausschauen

Trotz der Herausforderungen, vor denen die Halbleiterindustrie steht, prognostiziert Reichenbach für die nahe Zukunft einen Aufschwung.

„Der Markt dürfte in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres einen Aufwärtstrend erleben, getrieben durch die erhöhte Nachfrage nach KI-Chips, die Intensivierung der Digitalisierung und das Comeback des Speichermarktes.“ Wie wir während der Pandemie gesehen haben, könnte es zu einem Anstieg der Nachfrage nach allen Arten von Chips kommen. Bei Unternehmen, die Risikokäufe tätigen, könnte das zu Engpässen führen.“

„Darüber hinaus wird es eine höhere Nachfrage nach Chips für die Elektrofahrzeugindustrie geben. „Der Automobilsektor wird zu dieser Nachfrage beitragen, da die Umwandlung fossiler Brennstoffe in elektrische Energie an Dynamik gewinnt“, so Reichenbach abschließend.